In Kiel wurden zu Silvester vom NABU Feinstaubwerte gemessen. Hintergrund ist die Diskussion um ein Böllerverbot.
Die Messstation befand sich in der Wik im 2. Stock. Gemessen wurden Partikel kleiner 10 µm (PM 10) und kleiner 2,5 µm (PM 2,5). Der gesetzlich zulässige Tagesgrenzwert liegt bei 50 µg/m³
(Mikrogramm pro Kubikmeter Luft), der nicht öfter als 35 mal im Jahr überschritten werden darf.
Kurz nach Mitternacht lagen beide Messwerte über 1.000 µg/m³ und damit mindestens 10 mal höher als der Tagesgrenzwert (siehe Loggerdaten). Interessanter als dieser Spitzenwert ist, dass der
Grenzwert stundenlang überschritten wurde! - Aus anderen Städten sind ebenfalls Messwerte von über 1.000 µg/m³* bekannt.
Während viele Menschen mit dem guten Vorsatz „gesünder zu Leben“ ins neue Jahr starten, spielt die Gesundheit scheinbar an Silvester selbst keine Rolle. Denn die gesundheitlichen Folgen hoher
Feinstaubkonzentrationen sind längst belegt. Besonders Kleinkinder, ältere Leute oder Schwangere dürften sich an Silvester nicht in der direkten Nähe zum Feuerwerk aufhalten, schon einmalig hohe
Werte können zu Gesundheitsschäden führen*.
Neben den sehr hohen Feinstaubwerten ist auch die mit dem Feuerwerk verbundene Müllproduktion nicht mehr akzeptabel. Und es wird immer mehr Müll. In den letzten 20 Jahren ist der Umsatz mit
Feuerwerkskörpern bundesweit um rund ein Drittel auf 133 Mio. € gestiegen**. In Kiel kommt noch hinzu, dass viel von dem Müll in der Förde landet. Dort werden die Schadstoffe und das Mikroplastik
von Fischen aufgenommen, die später auf unserem Teller landen.
Zeitlicher Verlauf der Feinstaubkonzentration (Vergrößern durch Klicken) - Grafik: NABU/F. Pliquett
Die Störungen durch die Knallerei und den Lichteffekten führen bei Wildtieren zu extremen Stresssituationen und den damit verbundenen Problemen. Besonders zur kalten Jahreszeit bräuchten Tiere
Rückzugsräume um nicht unnötig Energiereserven zu verbrauchen. Aber z.B. die Gewässer rund um Kiel sind nach Silvester komplett leer, alle Wasservögel haben die Gewässer verlassen.
Alle Gründe hinsichtlich Natur- und Umweltschutz sowie Gesundheit sprechen für ein Verbot von privaten Feuerwerken.
*Angaben vom Umweltbundesamt
**Stista, Wert für Silvester 2018/2019
Auffrischender Wind aus westlicher Richtung sorgte für einen schnellen Luftaustausch in der Silvesternacht 2018/2019. Dennoch konnten hohe Feinstaubwerte gemessen werden.
Bedingt durch die Windrichtung konnte ein Feinstaubsensor in Kiel-Suchsdorf praktisch nur die Emissionen aus dem Ortsteil Suchsdorf an der Au messen, aber selbst bei dieser Wettersituation wurde eine PM10-Konzentration von bis zu 175 Mikrogramm pro Kubikmeter (µg/m³) und eine PM2.5-Konzentration von bis zu 128 Mikrogramm pro Kubikmeter (µg/m³) gemessen.
Am alten Leuchtturm Kiel-Holtenau, wo sich um Mitternacht viele Kieler wegen des Ausblicks über die Förde trafen, geriet das Messgerät zeitweise an seine Grenzen und erreichte das interne Limit von 999.9 für die PM2.5-Konzentration bzw. 1999.9 für die PM10-Konzentration und konnte die realen Werte nicht mehr anzeigen. Erst eine halbe Stunde nach Mitternacht fielen die Werte wieder unter die als gesundheitlich unbedenklich angesehene Grenze von 50 Mikrogramm pro Kubikmeter.
Frank Pliquett
Angeregt von der aktuellen Situation - insbesondere der Diskussion über die Überschreitung der Grenzwerte an der Messstation Theodor-Heuß-Ring - haben wir uns in der Ortsgruppe Kiel mit dem Thema
Feinstaub beschäftigt. Feinstaub ist nur einer der Schadstoffe, um die es bei dieser Problematik geht. Da aber für Feinstaub ein preisgünstiger Sensor (unter 20 Euro) zur Verfügung steht, haben
wir zunächst mit der Messung von Feinstaubkonzentrationen begonnen.
Von Stuttgart ausgehend hat sich ein Netzwerk von stationären, automatischen Feinstaub-Messstationen verbreitet. Diese werden privat betrieben, die Daten werden aber der Allgemeinheit zur
Verfügung gestellt. Mehr Infos zum Projekt finden sich auf der FAQ-Seite
https://luftdaten.info/faq/ .
Auch in Kiel gibt es bereits mehr als ein Dutzend private betriebener Stationen in verschiedenen Stadtteilen. Hier eine Karte mit aktuellen Messwerten: https://luftdaten.info
Das Stuttgarter Projekt hat den Vorteil, dass hier rund um die Uhr Daten erfasst und gemeldet werden. Der Nachteil dieser Stationen ist, dass sie fast immer am Wohnort des Besitzers aufgestellt
sind und daher nicht an Orten mit hoher Verkehrsbelastung stehen – dort, wo man eigentlich gern einmal messen würde. Wir haben daher einige Erfahrungen des Stuttgarter Projektes genutzt, sind
aber eigene Wege gegangen.
Aktuell verfügen wir über zwei Typen von Messgeräten:
>
Feinstaubsensor mit Display für den portablen Einsatz
> Feinstaubsensor mit Logging-Funktion, für längeren Einsatz an Straßen und Straßenkreuzungen
Geplant ist außerdem ein portabler Feinstaubsensor, der in Kombination mit einer Android-App die Messwerte anzeigt, aber auch zusammen mit den GPS-Koordinaten des Messortes für spätere Auswertung
abspeichert.
Gemäß dem „open source“ Gedanken möchten wir hier die Technik vorstellen und beschreiben. Im Laufe des Jahres wollen wir weitere Messwerte sammeln und gegebenenfalls veröffentlichen.
Dieses Messgerät basiert auf dem NOVA SDS011 Sensor. Ein Arduino Pro Mini liest die Werte des Sensors aus und zeigt sie auf einem LCD-Display an. Das Messgerät ist besonders leicht zu bedienen, denn es muss lediglich eingeschaltet werden. Die Daten werden nur angezeigt und nicht gespeichert, man kann sich jedoch schnell eine Übersicht über die Feinstaubbelastung am aktuellen Standort verschaffen.
Source-Code zu diesem Projekt: http://www.github.com/frpl/
Für längere Messungen über Stunden oder ganze Tage hinweg haben wir einen Feinstaublogger entworfen. Dieser wird per Akku betrieben und schreibt die Messwerte zur späteren Auswertung auf eine Speicherkarte. Somit ist er unabhängig von Strom- und WLAN-Netzen. Für den Einsatz haben wir uns eine regenfeste und (bis jetzt) diebstahlsichere „Verpackung“ einfallen lassen.
Einmal pro Minute werden die beiden Feinstaub-Werte, sowie Temperatur und Luftfeuchtigkeit gemessen und in eine Textdatei geschrieben (siehe oben). Aus diesen Daten lassen sich anschließend Diagramme anfertigen. Wir haben dafür das Open-Source Programm gnuplot (http://gnuplot.info/) verwendet. Über eine Steuerdatei lassen sich die Grafiken in einem standardisierten Format erzeugen:
Die obige Grafik zeigt Messwerte vom viel befahrenen Westring in Kiel. Kurz nach 17 Uhr ist ein Peak zu sehen, der vermutlich durch den Feierabendverkehr verursacht wurde. Die nachfolgenden Peaks sind nicht so stark ausgeprägt. Kurzzeitige Schwankungen im Bereich von Minuten bis zu einer Stunde halten wir für begrenzte, lokale Emissionen, während großräumige Emissionen, die vom Wind in die Stadt eingetragen werden, offenbar über mehrere Stunden hinweg zu- oder abnehmen.
Der mobile Sensor verwendet ein selbst entwickeltes Arduino-Board, kann aber auch mit folgenden frei verfügbaren Komponenten nachgebaut werden:
- Arduino UNO (oder kompatibles Board)
- RTC Uhr (I2C-Bus)
- 16x2 LCD Display (I2C-Bus)
- SD-Karten-Lesegerät (SPI-Bus)
- Nova SDS011 Sensor
- DHT22 Sensor
- DC-DC Wandler (12V -> 5V)
- Akku
Source-Code zu diesem Projekt: http://www.github.com/frpl/feinstaub
Um eine Lücke zwischen den beiden zuvor genannten Geräten zu füllen, entsteht derzeit ein weiteres Messgerät. Dieses wird wieder den Feinstaubsensor NOVA SDS011 verwenden. Die Daten sollen via Bluetooth an eine Android-App gesendet werden. Während der Sensor z.B. im Rucksack getragen oder auf Fahrrad montiert wird, lassen sich die aktuellen Daten vom Anwender auf dessen Smartphone ablesen. Dort werden sie zusätzlich mit den aktuellen GPS-Standortdaten in eine Logdatei geschrieben, um nachträgliche Auswertungen zu ermöglichen.
Der NABU Kiel nimmt Messwerte der Luftqualität durch Feinstaub-Messungen in der
Stadt auf. Erste Tests verlaufen vielversprechend. Mit einem Sensor wurden bereits
erfolgreich die Feinstaub-Partikelgrößen PM2,5 und PM10 gemessen. Nun sollen weitere
Tests die Messwerte prüfen. Versuchsaufbau und Ausbau werden mit den gewonnen
Daten verfeinert.
Erster Testaufbau
In einem ersten Testaufbau wurde ein Design für ein mobile Messtation entwickelt. Erste
Test verlaufen vielversprechend. Mit einem Akku betrieben misst die Anlage minütlich die
Feinstaubwerte und speichert sie in einem Messprotokoll zur späteren Auswertung.
Sensor für Feinstaub
Kernstück des Tests ist ein Sensor für die Messung von Feinstaub "PM2,5" und "PM10".
Diese Bezeichnungen stehen für Feinstaub in der Größe von 2,5 bzw. 10 μm. (mehr
Informationen bei Wikipedia "Feinstaub") Das sind Werte
unterhalb der Breite von
menschlichen Haaren.
Erste Tests und Messwerte
Einige erste Testreihen konnten bereits erfolgreich durchgeführt werden. Diese Messung
erfolgte noch in der Montagephase:
Erste Außenmessungen konnten erfolgen, nachdem ein entsprechender wetterfester
Aufbau erstellt war. Ein heftiger Regenschauer hatte offenbar keinen Einfluss auf die
Messergebnisse.
Citizen Science
Die Messungen des NABU Kiel sind ein Beitrag im Rahmen der Projekte für "Citizen
Science". Dabei sollen - in kleinem Rahmen - wissenschaftliche Fragen untersucht
werden. Jeder soll mitmachen und dadurch lernen können. Durch die verschiedenen
Erfahrungen, Beiträge und Entwicklungen - auch angeleitet von Experten - sollen so
wissenschaftliche Einblicke in unseren Alltag vermittelt werden. Diese Information soll den
Weg zu besseren Lösungen von kleinen und großen Problemen unserer Zeit bereiten. In
diesem Fall geht es einfach darum, die gute Luft in Kiel zu erhalten.
Zielsetzung des NABU Kiel
Feinstaub-Partikel der Größe PM2,5 und PM10 werden als Standard-Größen für
1. Klima-Effekte und
2. die Beeinträchtigung der Gesundheit von Menschen und Tieren betrachtet
3. sind zum Teil in Normen geregelt.
Der NABU Kiel will mit einer mobilen und unabhängigen Messung hier Tageswerte
ermitteln. Diese können wissenschaftliche Messungen nicht ersetzen, aber Hinweise auf
problematische Orte liefern, an denen bisher noch nie gemessen wurde. Der NABU Kiel
hofft nun darauf, erste Ansätze zu finden, wo und wie solche wissenschaftlichen
Messungen zum Schutz von Menschen und Tieren auch in Kiel erfolgen könnten.